Man kann in eine Kultur, sei sie auch noch so lokal entstanden, hereinwachsen, absorbieren, sich mit den Kulturwerten identifizieren. Die verschiedene Europäische Kulturen, wie von den verschiedenen Nationen ‘vertreten’, sind nicht ganz abgeschlossene Bereiche, aber nur verschiedene Betonungen von irgendwelche Eigenschaften die alle zusammen Europäisch sind, in der Urzeit aus Griechisch/Römischer und Christlicher Zivilisation entstanden und die sich weiterentwickelt haben, offen nach aussen und nach der eigenen Vergangenheit, und inklusive universeller humanistischen Werten, wovon man heute überall in der Welt die Reflektionen sehen kann.
Ich habe als ‘Holländische Kulturdeutscher’ in Frankreich und England gelebt, habe Freunde in Madrid, Budapest, London und Wien, und es ist klar dass man sich überall in Europa ‘zu Hause’ fühlen kann, falls man die unterliegende, gemeinsame Werten versteht und fühlt. Der Ausdruck ist oft verschieden, den menschlichen Temperamenten gemäss, wie die Interpretationen eines Musikwerkes verschieden sein können und wo doch die Identität des Werkes dieselbe bleibt. In diesem Sinn kann man wohl von typisch-Deutschen Kulturwerten sprechen, die bestimmte menschliche Eigenschaften betonen in einem Klima das diese Eigenschaften nährt. Als typisch-Deutsche Kultur-Identitätseigenschaften sind es z.B. Innigkeit, philosophische (selbst-)Analyse, Gründlichkeit, Kultivierung emotioneller und spiritueller Tiefe, Abkehr von Oberflächlichkeit, usw. – also, traditionelle Eigenschaften die seit sehr lang, auch von nicht-Deutschen, als typisch-Deutsche Betonungen empfunden wurden und werden. Und man findet sie auch in Italien, Frankreich, England, und – mit einiger Mühe – in Holland. Aber dort sind sie weniger betont, und sind es andere Eigenschaften die in einer anderen Kombination sich über längere Zeitstrecken gebildet haben.
In der Musik findet man die Deutsche Kulturidentitäteigenschaften, wie Grandiosität, subjektive Ausdrucktiefe, durch-gearbeitete Komplexität, die Neigung zur längeren Phrasenbildung, zurück. Deshalb ist ein Klangkünstler wie Lachenmann gar nicht für die Deutsche Kultur typisch, er ist eine Nachkriegsbewältigungspflichterscheinung. Die ‘moderne Szene’ in Deutschland scheint mir volkommen anti-Deutsch zu sein, eine Karikatur der Deutschen Musik – eine von Berührungsangst bedingte Verneinung der Eigenschaften die doch durch und durch Europäisch sind. Die neue Musik in Deutschland steht in starken Kontrast mit den Deutschen klassischen Aufführungskultur die zu den besten der Welt gehört, und es ist beschämend wie die etablierte Deutsche Komponisten und die ‘neue Musikfestivals’ ihre eigene Kulturidentität leugnen und z.B. einen Clown wie Johannes Kreidler Raum bieten.
www.youtube.com/watch?v=jwlCD2y2tBA
Ich denke oft: ‘Deutschland, erwache!’ – kann ich als nicht-Deutscher ohne Nachkriegsbewältigungspflicht sagen – ‘…. zu deiner eigenen Kultur!’ Es ist einfach nicht möglich, dass es in diesem Lande keine Komponistentalenten gebe, die sich über die Brücke der Kriegsperioden die eigene, Europäisch-bedingte Grundlage neu-erfinden könnten. Die nihilistische Ironie die man in der Deutschen neuen Musik oft sieht (hören ist am meisten stark ab zu raten), und die Versuche, bei trendy Amerikanismen an zu knupfen, sind nur als Reaktionen der Ratlosigkeit zu verstehen…. während es so vieles gibt, das man als positives Deutsches betrachten kann, und womit Komponisten sich nähren könnten. (Aber selbstverständlich sind alle diese Gedanken, wie von der Aussenseite geträumt, nur Einladung zum Hohn der Hoffnungslosen.)